
Etwas Süßes fehlt noch im Korb der Familie, die am Gründonnerstag in der Ausgabe der Wildeshauser Tafel steht. Bundestagsabgeordnete Susanne Mittag dreht sich um, greift ins Regal und legt vier Schokoladenweihnachtsmänner zu den Lebensmitteln. Es ist zwar kurz vor Ostern, aber Schokolade schmeckt auch in anderer „Verkleidung“.
Abgelaufen ist sie jedenfalls nicht. „Wir geben hier keine Lebensmittel aus, deren Mindesthaltbarkeit abgelaufen ist“, betont Peter Krönung, Vorsitzender der Tafel.
Die Bundestagsabgeordnete, sie trägt die Schürze mit dem Schriftzug der Wildeshauser Tafel, schaut sich die Einrichtung an, weil sie sie für wichtig hält und die ehrenamtlich Tätigen praktisch unterstützen will. Peter Krönung nutzt die Gelegenheit, der Bundespolitikerin einen Auftrag mitzugeben.
„Wir brauchen in einer Sache Unterstützung vom Bund, nämlich bei der Befreiung unserer Fahrzeuge von der Kfz-Steuer“, trägt der Tafelvorsitzende das Anliegen vor. Das würde den Wildeshauser Verein jährlich um rund 500 Euro entlasten, die dann direkt in die Hilfe gesteckt werden könnten. Bundesweit beträfe das rund 1600 Tafelfahrzeuge, schätzt Krönung, der darauf verweist, dass bisherige Anfragen in dieser Sache ohne Ergebnis geblieben sind, für Oldtimer aber beispielsweise ein geringerer Steuersatz gilt.
„Da frage ich nach“, verspricht Susanne Mittag. „Es kann ja eigentlich nicht sein, dass man ehrenamtlich tätig wird und praktisch noch Geld mitbringen oder Spenden dafür einsetzen muss, um eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe zu erledigen“, hat sie großes Verständnis für das Anliegen der Tafel.
Was in Wildeshausen und anderswo geleistet werde, sei gemeinnützige Arbeit ohne eigenen Vorteil, also klassisches Ehrenamt. „Man investiert persönliche Zeit in die Unterstützung anderer Menschen und fragt sich nicht: Was hast Du davon?“. Für die Sozialdemokratin wäre eine Steuerbefreiung oder -ermäßigung für die Tafeln eine Art Anerkennung dieser wichtigen Tätigkeit.
Zuvor hat Susanne Mittag selbst an der Ausgabe gestanden und Gespräche mit den Menschen geführt, die sich Lebensmittel holen, weil sie ihren täglichen Bedarf nicht selber decken können. Hat Gemüse ausgeteilt, Schokolade in die Körbe gelegt, darauf geachtet, dass es nur eine Tüte Chips gibt, und noch eine Dosensuppe ausgegeben.
„Wir haben keine Probleme, Lebensmittel zu beschaffen“, sagt Peter Krönung. Discounter, Bäcker, Lebensmittelgeschäfte, Eierlieferanten oder auch die Lebensmittelindustrie versorgen die Tafel. Wenn beispielsweise eine Palette vom Stapler fällt und die Dosen angeschlagen sind, gelangen sie ebenso wenig in den Verkauf wie Tiefkühltorten „Schwarzwälder Kirsch“, bei denen die Kirschen nicht richtig sitzen. Bleiben vom Mango-Sonderangebot zwei Kisten über, werden die nicht vernichtet, sondern gehen an die Tafel.
92 Ehrenamtliche sammeln und verteilen die Lebensmittel in den Ausgabestellen in Wildeshausen und Ahlhorn. „Sie sind immer zur Stelle, wir haben kaum Fluktuation“, berichtet Peter Krönung. Auch Ein-Euro-Jobber oder junge Menschen, die soziale Arbeit leisten müssen, verstärken das Team zeitweise, berichtet Ulrich Becker. Der ehemalige Förderschullehrer hat beobachtet, dass unter den Menschen, die zur Tafel kommen, Alleinerziehende und Schlechtverdiener gehören, die mit dem Einkommen nicht auskommen.
Durchschnittlich 14 Tonnen Lebensmittel werden pro Woche verteilt. Rund 340 Haushalte mit mehr als 800 Personen sind in Wildeshausen angemeldet, 250 Haushalte mit 700 Personen sind es in Ahlhorn. Durchschnittlich 139 Haushalte in Wildeshausen und 101 in Ahlhorn werden pro Woche von der Tafel versorgt. In den ersten beiden Monaten des Jahres sei die Zahl der Kunden durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen gestiegen, berichtet der Vorsitzende, doch sowohl in Wildeshausen als auch in Ahlhorn bilden Menschen ohne diesen Hintergrund, die bereits zuvor die Tafel besucht haben, die größte Kundengruppe.
Ziemlich beeindruckt verabschiedet sich Susanne Mittag nach zwei Stunden vom Team der Tafel mit dem Versprechen, sich um den erteilten Auftrag zu kümmern und bald eine Antwort zu geben. Sie wird sich jetzt Verbündete suchen und schauen, „ob wir etwas verbessern können“, verspricht sie.