Besuch von Flüchtlingseinrichtungen in der Türkei

Wenn man als Delegation eines Ausschusses reist, absolviert man in sehr kurzer Zeit eine Fülle an Terminen und sammelt aktuelle Informationen. Daraus ergibt sich für mich das Bild, dass die Türkei einerseits sehr bemüht ist, die organisatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit den etwa drei Millionen Flüchtlingen im Land zu bewältigen. Es wird aber auch deutlich, dass es an vielen Ecken fehlt. Beispielsweise müssen in den Flüchtlingslagern die Zelte und Container immer erneuert werden.

Das stellt die Behörden auch vor logistische Probleme. Insgesamt sind etwa zehn Prozent der Flüchtlinge in Aufnahmestationen untergebracht, rund 90 Prozent aber leben nicht in Lagern, sondern suchen sich im Land eigene Unterkünfte. Staatlich unterstützt werden sie dabei so gut wie gar nicht und ihre Wohnungssituation ist sehr schwierig. Die Rückführung ist zahlenmäßig geringer als von der Türkei und der EU erwartet.

Die Türkei ist bemüht, die Flüchtlinge zu integrieren

Ich nehme einmal das Beispiel Schule und Bildung. Rund 900 000 Flüchtlingskinder sind im Schulalter, davon sind allerdings nur die Hälfte in der Schule. 450 000 werden noch nicht beschult. Es fehlt an 24 000 Klassen und den entsprechenden Lehrkräften und Räumlichkeiten. Derzeit wird nun im zwei Schichten System gearbeitet, morgens gibt es Unterricht in Türkisch, nachmittags für die Syrer auf Arabisch, das soll allerdings mittelfristig auch so geändert werden, dass aller Unterricht auf Türkisch ist und damit die Integration gefördert wird.

Die Regelung der Unmterbringung

Die Aufnahme erfolgt durch staatliche Stellen und den UNHCR, den Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.  Rund 10 Prozent der etwa drei Mio. Flüchtlinge sind noch in Lagern, vor allem Ältere und Frauen mit Kindern. Unser Eindruck war, dass es beim UNHCR recht gut funktioniert. Die Flüchtlinge werden registriert, sie erhalten ein fälschungssicheres Datenblatt und werden dann Gemeinden zugewiesen. Von diesen erhalten sie dann einen Ausweis mit Fingerabdruck und sie haben Meldepflicht. Es herrschen dort sehr hohe Sicherheitsstandards und die Registrierung geht voran, allerdings ist die Verfahrensdauer sehr lang.

Die Situation im Abschiebelager Kirklareli

Auf dem umzäunten und stark bewachten Areal leben rund 300 Migranten, viele von ihnen aus Pakistan, Afghanistan, Syrien und Bangladesch, aber auch aus Griechenland zurückgeführte Flüchtlinge. Das Lager liegt ja an der Transitroute nach Griechenland und Bulgarien und deshalb sind dort vor allem illegal Reisende. Sie werden befragt und man nimmt Kontakt zum jeweiligen Herkunftsland auf, um Personalien zu klären. Sie haben die Möglichkeit, einen Aufnahmeantrag zu stellen, wird dieser abgelehnt, werden sie abgeschoben.

Was mich beeindruckt hat war ein Gespräch mit fünf Frauen in einer Zelle, die zwischen einer Woche und vier Monaten da waren und um die sich noch niemand gekümmert hatte. Sie sind nach ihren Aussagen bis zu 22 Stunden eingeschlossen, eine Behandlung, die wir mit Einverständnis der Frauen kritisiert haben, hoffend, dass sich das nicht zu ihrem Nachteil auswirkt.

Innenpüolitische Auseinandersetzungen

Bei unserem Gesprächstermin im Innenministerium waren keine Vertreter der Oppositionsparteien dabei. Wir haben deshalb angefragt, ob diese über den Termin informiert waren und erfahren, dass sie nichts von dem Termin wussten. Es ist also wohl davon auszugehen, dass die Opposition absichtlich ausgeschlossen wurde. Wir werden das nochmals kritisch anmerken.

Bei den Gesprächen mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen wurden Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Referendum deutlich.

Ein Thema war für uns auch die Pressefreiheit und es gab da bei aller Höflichkeit eine sehr kritische Diskussion.

Doch man muss die Flüchtlingsarbeit und die innenpolitische Lage trennen. Das wurde uns auch von den NGOs bestätigt. Die Lage im Innern hat auf deren Arbeit so zu wie keine Auswirkungen und bei Thema Flüchtling ist die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen sehr gut. Die gelegentlich in Deutschland geäußerte Befürchtung hinsichtlich des Aufkündigen des EU- Abkommens von türkischer Seite entbehrt aus hiesiger Sicht jeglicher Grundlage. Auch von staatlicher Seite wurde die gute Zusammenarbeit in Flüchtlingsfragen immer wieder betont.

Die Arbeit von Hilfsorganisationen

Es arbeiten sehr viele Nichtregierungsorganisationen in der Türkei und da sie die Finanzierung ihrer Projekte sozusagen mitbringen, ist die Zusammenarbeit gut und sie erhalten eine große ehrenamtliche Unterstützung.

Wichtig erscheint mir, dass die Vernetzung und damit der Informationsfluss zwischen den unterschiedlichsten Organisationen und Angeboten auch noch besser klappen.

Die Erwartungen an Deutschland sind von der Regierungsseite, dass das Abkommen umgesetzt wird, seitens der Menschenrechtsorganisationen sicherlich die, dass das Thema Menschenrechte auf europäischer Ebene diskutiert wird, aber auch in Deutschland diskutiert wird. Auffallend war, dass wir bei all unseren Terminen auf die gute und langjährige Verbundenheit der Türkei aller derzeitigen Probleme zum Trotz mit Deutschland angesprochen wurden.