Gemeinsam mit der zuständigen SPD-Bundestagsabgeordneten Kirsten Lühmann hat Susanne Mittag den Hof Hohls in Becklingen und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Celle besucht.Susanne Mittag ist seit dieser Wahlperiode Berichterstatterin für Tierschutz in der SPD-Bundestagsfraktion. Wie sieht die Praxis und Theorie im Tierschutz aus?
In Becklingen im Landkreis Celle befindet sich mit dem Familienbetrieb von Landwirt Jan-Hendrik Hohls einer von wenigen Demonstrationsbetrieben für Tierschutz. Projekte wie diese werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert und sind Vorreiter in Sachen Tierschutz. Seit August 2017 ist der neue Stall in Becklingen in Betrieb. Dort betreibt der Landwirt mit 320 Muttersauen konventionelle Schweinehaltung. Der Stall ist heller und luftiger und die einzelnen Bereiche für die Tiere sind größer als in gewöhnlichen Ställen. Muttersauen haben einen größeren Bereich als im üblichen Kastenstand, gleichzeitig haben die Ferkel eigene Bereiche, um das Erdrücken der Ferkel durch die Mutter zu verhindern. Die Sterblichkeit der Ferkel liegt nur bei 10 bis 15 Prozent. Dies ist ein deutlich geringerer Anteil als in gewöhnlicher Haltung, wobei nicht nur Verluste durch Erdrücken, sondern auch durch Unterkühlung und Krankheit inbegriffen sind.
Neben dem Ferkelbereich verfügt der Stall auch über ein Deckzentrum. Das Hausschwein wird hier mit einem dänischen Duroc gepaart. Diese ist für seine ruhige Art bekannt; nicht unwichtig für die Ringelschwanz-Zucht von Landwirt Hohls. Das Ringelschwanz-Programm setzt darüber hinaus eine enge Beobachtung der Tiere voraus, um bei möglichen Kämpfen unter den Tieren früh einzugreifen. Das gegenseitige Abbeißen der Schwänze ist grundsätzlich in mehreren Faktoren begründet. Ein sehr wichtiger Auslöser kann die unzureichende
Beschäftigung der Tiere sein.
In neuen „Ruhe-Boxen“ können die Schweine andere Artgenossen aussperren, was nach Auskunft von Hohls viel von den Tieren genutzt wird. Die Kombination aus zwei unterschiedlichen Böden, dem Betonboden und dem Spaltenboden, bietet darüber hinaus Wahlfreiheit in Sachen Wärmezufuhr.
So verbessern Beschäftigungsmöglichkeiten, wie herabhängende Holzstücke oder Seile, und Strohhaufen die Haltungsbedingungen. Diese weiteren Verbesserungen werden zusätzlich vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Nach dem Besuch des Hofes folgte im Institut für Tierschutz und Tierhaltung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Celle ein Gespräch mit Leiter Prof. Dr. Lars Schrader und dem stellvertretenden Leiter Dr. Michael Marahrens. Das Celler Institut ist eines von insgesamt elf Fachinstituten des FLI, die über fünf Standorte verteilt sind und insgesamt 850 Mitarbeitende haben. Augenmerk liegt in Celle auf der Entwicklung von tiergerechten und nachhaltigen Haltungsverfahren, der Analyse von Verhaltensansprüchen und –störungen, der Erarbeitung und Verbesserung von Bewertungsmethoden für Tiergerechtheit und der Weiterentwicklung von tierschutzgerechten Verfahren für Transport, Betäubung und Tötung.

Als unabhängige Bundesbehörde ist das Institut auch an der Entwicklung eines Tierwohllabels beteiligt. Im Aufgabenbereich „Tiertransport“ stellt Dr. Marahrens fest: „Die größte Belastung bei Tiertransporten entsteht beim Be- und Entladen. Bei angemessenen Verhältnissen spielt es jedoch kaum eine Rolle, ob die Tiere vier oder acht Stunden im Transporter sind.“ Eine wichtige Verantwortung liegt in der Kontrolle dieser Tiertransporte. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass es eine verbindliche bundesweite Regelung für die Ortung von Langstreckentransporten geben muss.
Ein weiteres Forschungsprojekt des Institutes ist das sogenannte „SchwIP“, das Schwanzbeiß-Interventionsprogramm mit dem Schweinemäster und –aufzüchter unterstützt werden, in ihren Betrieben die Risiken für Schwanzbeißen zu senken. Zudem ist das Institut seit kurzem gemeinsam mit dem Wageningen Livestock Research in den Niederlanden und dem Department of Aninmal Science der Universität Aarhus in Dänemark das erste EU-Referenzzentrum für Tierschutz. Ziel ist unter anderem, Tierschutzindikatoren als Daten für die Behörden nutzbar zu machen.
Auch durch das Projekt „Aufruffütterung“ hat sich das Institut gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf einen Namen gemacht. In dieser Studie wurden Sauen zweimal am Tag beim Füttern immer wieder ein individueller Name vorgespielt. Bereits nach fünf Tagen ließen sich die Sauen mit ihrem Namen zum Füttern rufen.
Prof. Schrade ist sich sicher: „Die Intelligenz der Schweine kann für eine bessere Tierhaltung genutzt werden.“ So könnte nicht nur eine Fütterung, sondern auch eine medizinische Behandlung auf Zuruf erfolgen.
Susanne Mittag: „Dieser Tag hat mir viele neue Einblicke in das Thema Tierschutz in Theorie, aber vor allem auch in der Praxis geboten. Ich nehme jede Menge Hinweise zur praxistauglichen Umsetzung unserer Forderungen nach verbessertem Tierschutz mit. Das ist sehr hilfreich bei den ausstehenden Verhandlungen mit der Bundeslandwirtschaftsministerin zur Umsetzung von Tierschutzmaßnahmen und bei der Schwerpunktsetzung im Haushalt.“